Das Amtsgericht Braunschweig (Urt. v. 3.12.2014, Az. 121 c 2121/14) hat eine Filesharing-Klage mit treffender Argumentation abgewiesen. In seiner Argumentation folgt das Amtsgericht den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof mit seiner „BearShare“-Entscheidung Anfang 2014 aufgestellt hat. Bemerkenswert am Urteil des AG Braunschweig ist die Deutlichkeit, mit der der von Klägerseite favorisierten „Roß-und-Reiter-Theorie“ entgegen getreten wird. Es ist gerade nicht erforderlich, als Anschlußinhaber (auch noch nach Jahren) genau Auskunft darüber geben zu müssen, wer genau im Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung über den Anschluß im Internet war.
Die Entscheidungsgründe:
1.
Es ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte am 05.12.2009 gegen 18:21 Uhr durch Filesharing den Film „Niko – Ein Rentier hebt ab“ aus dem Internet heruntergeladen und gleichzeitig anderen Nutzern zum Kopieren angeboten hat.
Die Klägerin hat keinen Beweis dafür angeboten, dass die Beklagte selbst die Verletzungshandlung begangen hat. Es spricht auch keine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft der Beklagten. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zumZeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten (BGH, I ZR 169/12 Rn. 15, zitiert nach Juris). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH a.a.O. unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung). Insoweit trifft die Beklagte als lnhaberin des Internetanschlusses eine sekundäre Darlegungslast, der sie jedoch genügt hat. Die Anschlussinhaberin genügtihrer sekundären Darlegungslast dadurch, dass sie vorträgt, ob andere Personen und ggf.
welche anderen Personen selbst ständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH a.a.O. Rn. 18). Die Beklagte hat ihrer sekundären Darlegungslast dadurch entsprochen, dass sie vorgetragen hat, ihr in ihrem Haushalt lebender Ehemann und der ihr damals neunjähriger Sohn hätten zum fraglichen Zeitpunkt berechtigt Zugang zu ihrem PC und zur Internetnutzung gehabt. Unter diesen Umständen ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchsstellerin, die für eine Haftung der Beklagten als Täterin einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGH a.a.O. Rn. 20). Da die Beklagte darüber hinaus dargelegt hat, dass und mit welchen technischen Mitteln sie den ungehinderten Zugriff von Dritten auf ihren Internetanschluss verhindert hat und dass sie ihr W-LAN-Password darüber hinaus nur an erwachsene Personen zur Nutzung des lnternets über ihr Handy weitergegeben hat, hat die Beklagte der Klägerin sämtliche Informationen geliefert, die erwartet werden können, um die Klägerin in die Lage zu versetzen, die technischen Möglichkeiten bei der Verletzungshandlung und den eventuellen Personenkreis von Verletzern ihrer behaupteten Rechte nachzuvollziehen.
Die sekundäre Darlegungslast, die in dem dargestellten Umfang – der Angabe der Personen mit selbstständigen Zugang zum Internet – auch die Verpflichtung zu Nachforschungen beinhaltet (BGH a.a.O. Rn. 18) beinhaltet darüber hinaus jedenfalls im konkreten Fall nicht, dass die Beklagte darzulegen hat, wer am 05.12.2009 um 18:21 Uhr ihren Internetzugang genutzt hat. Da – mangels gegenteiligen Vortrags – davon auszugehen ist, dass die Beklagte erstmals mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10.03.2010 und damit über drei Monate nach der von ihrem Internetanschluss behaupteten Verletzungshandlung Kenntnis davon erhalten hat, kann nach diesem Zeitablauf nicht erwartet werden, dass die Beklagte – wie jede andere lnternetnutzerin auch – noch weiß oder verlässlich ermitteln kann, wer vor über drei Monaten wann genau über ihren Zugang im Internet war, zumal es keine Anzeichen
dafür gibt, dass es zuvor anderweitige Verletzungshandlungen urheberrechtlich geschützter Werke vom Anschluss der Beklagten gegeben hat. Eine so weitgehende sekundäre Darlegungslast klingt in der Rechtsprechung des BGH auch nicht annähernd an.
2.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erstattung der durch die Abmahnung entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung. Nach den vorangegangenen Ausführungen ist die Beklagte nicht Täterin einer Rechtverletzung gegenüber der Klägerin.
Der Beklagten ist auch nicht als Anschlussinhaberin nach den Grundsätzen der Störerhaftung eine – etwaige – Verletzungshandlung eines Dritten zuzurechnen. Eine Haftung als Störer setzt die Verletzung zurnutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten voraus, wenn der Störer bei der Verletzung absoluter Rechte willentlich zu einer adäquat kausalen Verletzung des geschützten Rechts beigetragen hat (BGH a.a.O. Rn. 22). Die Inhaberin eines Internetanschlusses ist grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen (BGH a.a.O. Rn. 24). Da nach dem Parteivortrag die Möglichkeit besteht, dass die Verletzungshandlung – wenn überhaupt vom Internetzugang der Beklagten – vom volljährigen Ehemann der Beklagten begangen worden ist und die Beklagte diesem gegenüber keine weiteren Hinweispflichten hat, ist die Beklagte auch nicht als Störerin gegenüber der Klägerin anzusehen, so dass ihr gegenüber kein Unterfassungsanspruch besteht und bestanden hat und damit auch kein Anspruch auf Ersatz der Kosten zur Durchsatzung dieses Anspruchs entstanden sein kann. Dass der Sohn der Beklagten die Verletzungshandlung begangen und die Beklagte ihm gegenüber Verhaltenspflichten verfetzt hat, hat die Kfägerin weder vereinzelt dargelegt noch insoweit Beweis angeboten.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Ein Berufungsverfahren beim LG Braunschweig ist anhängig.