Das Amtsgericht Braunschweig (Urteil vom 3.2.2015, Az. 118 C 2178/14) hat eine weitere Klage wegen angeblichen Filesharings abgewiesen. Wieder einmal ging es um einen weihnachtlich angehauchten Film um ein Rentier namens Niko.
Das Gericht hat dabei nicht einmal vertieft in die Sachprüfung selbst einsteigen müssen. Denn der geltend gemachte Anspruch war nach zutreffender Ansicht des Amtsgerichts Braunschweig bei Geltendmachung schon verjährt. Das Amtsgericht geht dabei richtigerweise – wie andere Gerichte vorher – davon aus, dass der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach drei Jahren verjährt sei. Jedenfalls aber habe sich die Klägerpartei nach dem geltend gemachten Verstoß derart lange mit der Verfolgung des Anspruches bei Gericht Zeit gelassen, dass er verwirkt sei. Gerade dieser Aspekt der Verwirkung findet sich in anderen Entscheidungen bislang nicht.
Die Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Aufwendungsersatzanspruch kann nicht mehr geitend gemacht werden.
Der Schadensersatzanspruch ist verjährt.
Die Klägerin hatte unbestrittnermaßen Kenntnis von der Person des Beklagten spätestens am 21.12.2009. Zu diesem Zeitpunkt muss den Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Schreiben der Telekom AG mit den Daten für den Beklagten zugegangen sein. Maßgeblich ist die 3-jährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB, die Ende 2012 ablief. Auf den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Lizenzanalogie sind die Bestimmungen der §§ 102 UrhG, 852 BGB nicht anzuwenden. Zur Frage, wann Ansprüche auf Ersatz des Schadens in Lizenzanalogie in Filesharingangelegenheiten verjähren, gibt es bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof hat sich lediglich zur Frage der Verjährung von Lizenzansprüchen im Rahmen der Entscheidung ‚Bochumer Weihnachtsmarkt‘ (BGH Urteil v. 27.10.2011 , I ZR 175/ 10) auseinandergesetzt und insoweit ausgeführt, dass Ansprüche einer Verwertungsgesellschaft auf Ersatz einer angemessenen Lizenzgebühr in 10 Jahren verjähren. Der vom Bundesgerichtshof zu entscheidende Sachverhalt ‚Bochumer Weihnachtsmarkt‘ behandelt jedoch eine grundlegend andere Fallkonstellation, so dass die in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze auf Filesharingfälle nicht zu übertragen sind. Während die Verwertungsgesellschaft GEMA es einem Nutzer ermöglicht, einen urheberrechtliehen Lizenzvertrag über die von ihm gewünschte Musiknutzung abzuschließen, besteht in Filesharingangelegenheiten eine solche Mäglichkeit nach dem Vorbringen der Klägerin nicht. Vorliegend hätte die Beklagte daher selbst dann, wenn sie dies gewollt hätte, mit der Klägerin keinen urheberrechtliehen Lizenzvertrag über eine Weiterverbreitung im Rahmen eines Filesharing-Systems schließen können. Zutreffend hat das AG Bielefeld in seiner Entscheidung vom 04.03.14 (Aktenzeichen 42 C 368/13) festgehalten, dass es sich bei Urheberrechtsverstößen im Rahmen einer Peer-to-Peer-Tauschbörse dem Wesensmerkmal nach um unerlaubte Handlungen handelt, für die gerade nicht die Grundsätze eines bereicherungsrechtlichen Schadensersatzanspruches anwendbar sind. Dem schließt sich das erkennende Gericht an.
Ob die daneben geltend gemachte streitgegenständliche Forderung auf Zahlung von 555,60 EUR anwaltlicher Ahmahnkosten begründet ist, kann dahingestellt bleiben. Für eine Verjährung der Forderung könnte die Regelung in § 199 Abs. 5 BGB sprechen. Danach beginnt die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung nicht mit dem Ausspruch der Abmahnung, sondern vielmehr mit dem Zeitpunkt der Zuwiderhandlung. § 199 Abs. 5 BGB regelt insoweit, dass dann, wenn es sich um einen Unterlassungsanspruch handelt, der Zeitpunkt der Zuwiderhandlung für den Verjährungsbeginn maßgeblich ist. Der Zeitpunkt der Zuwiderhandlung war vorliegend das behauptete Anbieten zum Download im Internet über eine Peer-to-Peer-Tauschbörse am 12.11.2009. Nach Auffassung des Amtsgerichts Bietefeld kann der Verjährungsbeginn des Kostenerstattungsanspruches nicht dadurch verlängert werden, dass mit dem Ausspruch einer Abmahnung zugewartet wird. Insoweit soll vielmehr Unterlassungsanspruch und der darauf beruhende Kostenerstattungsanspruch den gleichen verjährungsrechtlichen Bestimmungen unterliegen (Amtsgerichts Bielefeld, Urteil vom 06.03.2014 zu Aktenzeichen 42 C 368/13).
Auf jeden Fall ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Abmahnkosten verwirkt.
Das für die Verwirkung erforderliche Zeit- und Umstandsmoment ist gegeben.
Das Zeitmoment ist erfüllt, da die Klägerin den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten erst mit dem Mahnbescheid vom 27.12.2013 geltend gemacht hat, der dem Beklagten erst am 06.01 .2014 zugestellt wurde. Zwar ist es richtig, dass bei Ansprüchen mit der regelmäßigen kurzen Verjährungsfrist nur ausnahmsweise das Zeitmoment erfüllt sein kann (vgl. LG Harnburg, Urteil vom 17.07.2012. Aktenzeichen 310 0 460/11). Hier liegt jedoch ein solcher Ausnahmefall vor. Seit dem Ahmahnschreiben vom 20.04.2010 waren zum Zeitpunkt der Beantragung des Mahnbescheides mehr als 3 1/2 Jahre vergangen. Auch die Verjährungsfrist wäre an sich am 31.12.2013 abgelaufen, wenn die Klägerin nicht immer wieder knapp rechtzeitig vor Ablauf der Sechsmonatsfrist nach § 204 BGB weitere Maßnahmen ergriffen hätte.
Auch das Umstandsmoment ist erfüllt.
Die Klägerin machte gegen den Beklagten keine Ansprüche auf Unterlassung trotz der Tatsache, dass der Beklagte die übersandte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht unterschrieb, geltend. Nach Ansicht einiger Gericht reicht dieser Umstand alleine aus, um den Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten für unberechtigt zu halten (vgl. neuestens wieder AG Hamburg, Urteil vom 20.12.2013, Az. 36a C 134/13). Zumindest musste der Beklagte nach dem Ablauf einer derartig langen Zeit nicht mehr damit rechnen, dass er trotz der Tatsache, dass er die strafbewehrte Unterlassungsenclärung nicht unterschrieben hat und die Klägerin ihn wegen der Unterlassung danach nicht mehr in Anspruch genommen hat, noch wegen der Abmahnkosten in Anspruch genommen wird. Es kommt noch hinzu, dass der Unterlassungsanspruch wegen der Regelung in § 199 Abs. 5 BGB schon Ende 2012 verjährt war, weil die Zuwiderhandlung im Jahre 2009 stattgefunden haben soll und die Person des Beklagten der Klägerin auch schon im Jahre 2009 bekannt geworden ist.
Unter diesen Umständen braucht deshalb nicht nachgeprüft zu werden, ob die Ermittlung der streitgegenständlichen IP-Adresse unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen des TKG erfolgt ist (vgl. mit gewichtigen Gründen Hinweisbeschluss des AG Koblenz vom 02.01 .2015 zu Aktenzeichen 153 C 3184/14).
Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung in Rechtskraft erwächst.