LG Magdeburg: Kreditgefährdung durch Drohung mit der Schufa bei sog. „Vertragsfallen“

Die Klägerin sah sich mit einer Forderung aus einer sog. „Vertragsfalle“ konfrontiert. Angeblich habe sie sich bei einer „Gratisseite“ – geburtstags-infos.de – unter Ihrem Namen angemeldet. Daran konnte sich sich Klägerin aber beim besten Willen nicht erinnern. Folglich hat sie sich auch geweigert, die ihr in Rechnung gestellten Gebühren zu begleichen. Da die Beklagte mit der Weitergabe der Daten an Wirtschaftsauskunfteien droht, hat die Klägerin die Beklagte unter anderem auf Unterlassen der angedrohten kreditgefährdenden Handlung und Erstattung der dabei entstandenen Anwaltskosten in Anspruch genommen. Zuecht, wie das LG Magdeburg entschieden hat.

LG Magdeburg, Urt. v. 14.4.2010, Az. 5 O 1375/09

Die Klägerin ist durch die Beklagte und namens der Beklagten durch die
Rechtsanwältin G. gemahnt worden  die Vergütung für eine Internetdienstleistung (Abonnement) zu zahlen. Die Mahnung enthielt folgende Passage:

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir im Sinne einer wirtschaftlichen Abwicklung unserer Vertragsverhältnisse den weiteren Einzug einem darauf spezialisierten Inkasso-/Rechtsanwaltsbüro übertragen werden. Dadurch entstehen Ihnen weitere Kosten und gegebenenfalls weitere Nachteile wie z.B. ein negativer Schufa-Eintrag.

Der Fettdruck findet sich so auch auf den Mahnungen. Darauf hat die Klägerin gegen die Beklagte neben datenscutzrechtlichen Ansprüchen Unterlassungsansprüche geltend gemacht. Die Klägerin sah in der Androhung weiterer Schritte eine Kreditgefährdung, die sie nicht hinnehmen wollte. Zurecht, wie das Landgericht Magdeburg ausführt.

Aus der Entscheidung:

(…) die Beklagte hat gegenüber der Klägerin eine Handlung begangen, die sie zu Schadensersatz nach § 249 ff BGB verpflichtet, wobei sie als Schadensfolge, die hier der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienenden Kosten der außergerichtlichen  Rechtsverteidigung mit Hilfe eines Rechtsanwalts insoweit tragen muss.

Der Unterlassensanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 824, 1004, 249 aufgrund des streitbefangenen Vorgangs dahin, keine Eintragungen bei Wirtschaftsauskunfteien und der Schufa zu veranlassen. Denn die Mitteilung von nicht erweislich wahren Tatsachen dahin, dass die Klägerin einen Vertrag geschlossen hat aus dem sie eine Vergütung schuldet, die sie nicht bezahlt hat, stellt eine Kreditgefährung der Klägerin i.S.d. § 824 BGB dar. Denn eine solche Handlung der Beklagten wäre geeignet den Kredit der Klägerin bei Dritten zu gefährden.
Die Beklagte weiß auch, dass ihr keine Ansprüche gegen die Klägerin aus einem Vertrag zustehen, weil sie aufgrund der Umstände des Einzelfalls davon
ausgehen muss, dass der Anmelder auf der Seite Geburtstags-infos.de keinen entsprechenden Geschäftswillen dahin hat, aufgrund der Anmeldung ein Entgelt bezahlen zu wollen. Denn die Internetseite ist von der Beklagten bewusst als „Vertragsfalle“ gestaltet, in der Absicht, möglich viele Nutzer mögen bei der
Anmeldung übersehen, dass die Anmeldung zugleich zu einem Vertragsschluss führt, der zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet. Denn das zu zahlende Entgelt ist lediglich im Text an anderer Stelle – weiter unten – als die Anmeldung genannt und nicht Teil der  Anmeldeprozedur, unter Umständen sogar außerhalb des sichtbaren Bildschirms Ue nach Einstellung). Dies kann – unter Umständen muss gescrollt werden – leicht übersehen werden (siehe auch Blatt 7,8 der Akten), was die Beklagte weiß und was dazu führt, dass sie einen Vertragsschluss, der die Abgabe einer Willenserklärung mit dem Geschäftswillen einen entgeltlichen Vertrag zu schließen, regelmäßig nicht nachweisen kann.
Der Antrag war auch in Form eines vorbeugenden Unterlassungsantrages nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, denn es besteht aus der Sicht bei Zugang der beiden Schreiben der Beklagten direkt an die Klägerin, wie das Verhalten der Beklagten zeigt, die die Androhung der zu unterlassenden Veranlassung von Eintragungen sowohl in die Mahnung als auch in die Mahnung der mit der
Beitreibung befassten Rechtsanwältin G. aufgenommen hat, bzw. die Aufnahme der Androhung nicht unterbunden hat, Erstbegehungsgefahr.
Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters können die Worte „und gegebenenfalls weitere Nachteile wie z.B. ein negativer Schufa – Eintrag“ aus der Sicht eines verständigen Dritten in der Situation der Klägerin, bei Erhalt der bis dahin einzig nachweislich der Klägerin zugegangenen „Letzte Mahnung“ nur dahin verstanden werden (vgl. §§ 133, 157 BGB), dass damit der Klägerin
in Aussicht gestellt wird, dass wenn sie nicht bezahlt, die Möglichkeit in Anspruch genommen werden soll, ihrer Kreditwürdigkeit durch Veranlassung von Einträgen bei Dritten zu schaden. Darauf dass diese Möglichkeit bei objektiv richtigem Verhalten der Beklagten und der Rechtsanwältin G. nicht ohne weiteres besteht, weil die Voraussetzungen für die Meldung bei der Schufa
nicht vorliegen, kommt es insoweit nicht an.

Es besteht dennoch die nicht fern liegende Gefahr, dass die Beklagte an die Schufa – zum Nachteil der Klägerin – falsche Informationen weitergibt oder weitergeben lässt, die dann zu einer negativen Eintragung, wie angedroht führen. Oder es könnten Einträge bei anderen Wirtschaftsdateien mit weniger strengen Prüfkriterien veranlasst werden, mit dem Ziel der Klägerin zu  schaden, weil sie das geforderte Entgelt nicht bezahlt.
Dass die Gefahr einer unzulässigen Handlung im Zusammenhang mit der Umsetzung besteht, ergibt sich auch daraus, dass – obwohl die Beklagte weiß, dass sie keinen Zahlungsanspruch hat – sie der Klägerin mögliche Nachteile in Aussicht gestellt hat, wenn sie nicht bezahlt und das obwohl sie weiß, dass der Zahlungsanspruch gerichtlich nicht durchsetzbar ist, weil es aufgrund der Gestaltung der Internetseite an der Möglichkeit fehlt, einen bei der Anmeldung vorhandenen Geschäftswillen der Klägerin zu beweisen. Dass die Beklagte als Auftraggeberin für eine InkassosteIle keinen Einfluss auf deren Verhalten hat, trifft nicht zu. Sie ist im Innenverhältnis regelmäßig gegenüber der InkassosteIle uneingeschränkt weisungsbefugt (vgl. auch § 665 BGB).
Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abwehr der Forderung war auch angemessen (§ 254 BGB). Denn die Klägerin muss sich durch die  Zahlungsaufforderung verbunden mit der Androhung mit komplexen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Abwehr der Forderung auseinandersetzen, die sie selbst überfordert.
Mit Rücksicht darauf, dass die den Schaden verursachende Handlung der Beklagten das mit letzte Mahnung überschriebene Schreiben der Beklagten war
und dass dieses für die Klägerin der Anlass zur Beauftragung des Klägervertreters war, war das Verhalten der Beklagten für die verursachten außergerichtlichen Anwaltskosten auch kausal; es hat also die Beauftragung des anwaltlichen Vertreters der Klägerin ausgelöst.

Der Streitwert ist vom Gericht auf die Gebührenstufe bis 5.000,00 € festgesetzt worden. Der Unterlassungsanspruch ist mit 4.000 € bewertet worden, der gestellte datenschutzrechtliche Auskunftsantrag mit 300 € sowie der Löschungsantrag ebenfalls auf 300 €.

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