Das Oberlandesgericht Braunschweig hat mit Urteil vom 27.1.2010 (Az. 2 U 225/09) die Klage eines Anbieters hochwertiger Herrenwäsche und Herrenbademoden auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren abgewiesen. Ein Wettbewerbsverhältnis ist nicht gegeben. Ein Anbieter von Herrenwäsche und Herrenbademoden steht in keinem Wettbewerbsverhältnis zu einem Verkäufer meist gebrauchter Damenmode.
Der Sachverhalt:
Die Beklagte hat zahlreiche Kleidungsstücke über das Portal ebay.de zum Verkauf angeboten. Im Wesentlichen handelte es sich um Bekleidung, die sie selbst, oder aber ihr Sohn getragen habe. Auch wenn es sich dabei um eine durchaus nennenswerte Anzahl gehandelt hatte, sollte diese „Aktion“ nicht auf Dauer angelegt sein. Die Beklagte ist dabei über ihren Account als Privatverkäuferin aufgetreten.
Der Kläger designt und verkauft hochwertige und recht körperbetonte Herrenunterwäsche und Herrenbademoden. Seine Recherche bei Goofbay habe ergeben, dass die Beklagte bezogen auf 90 Tage sage und schreibe 140 Verkäufe mit einem Umsatz von über 10.000 EUR getätigt habe. Wenn die Beklagte so bei ebay.de handele, sei das nicht mehr nur „privat“. Sie sei als Gewerbetreibende anzusehen. Als solche habe sie natürlich auch neben einem vollständigen Impressum Pflichtangaben wie z.B. eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vorzuhalten.
Die Beklagte wurde wegen der aus Klägersicht unvollständigen Angaben abgemahnt. Der Abmahnung wurde eine Kostenrechnung nach einem Streitwert von 35.000 EUR beigefügt.
Die Beklagte, die ohnehin nicht vorhatte, sich länger mit einem Verkauf der Kleidung zu beschäftigen, gab ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, jedoch mit Bindungswillen eine Unterlassungserklärung ab. Die Abmahnkosten hat sie nicht erstattet.
Die Klage auf Zahlung eben dieser Abmahnkosten ist in zweiter Instanz insgesamt abgewiesen worden.
Das Landgericht Braunschweig (Az. 21 O 1530/09) hatte dem Abmahner noch Anwaltsgebühren nach einem Streitwert von 10.000 EUR zugebilligt. Anders aber das OLG Braunschweig auf die eingelegte Berufung.
Maßgeblich war für das OLG Braunschweig, dass zwischen einer Verkäuferin, die zumeist gebrauchte Damen- und Kinderkleidung auf ebay.de verkauft, und einem Herrenwäscheanbieter kein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehe. Dieses hatte das Landgericht Braunschweig noch anders gesehen. Für das Landgericht genügte es, dass in beiden Fällen mit modischer Bekleidung gehandelt wurde.
Das OLG Braunschweig widersprach dem: es komme darauf an, inwieweit die Waren gegeneinander austauschbar seien. Das sei insbesondere der Fall, wenn Konkurrenzangebote einander gegenüber stehen und Interessenten also quasi Alternativen aufgezeigt werden. Der Absatz des einen Unternehmens müsse auf Kosten des anderen Unternehmens gehen.
Aus dem Wortlaut der Entscheidung:
„Als Mitbewerber ist anzusehen, wer in einem tatsächlichen oder doch potentiellen Wettbewerbsverhältnis zum werbenden Unternehmen steht. Es kommt darauf an, ob aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise die angebotenen Waren oder Dienstleistungen austauschbar sind, was insbesondere der Fall ist, wenn sich Konkurrenzangebote einander gegenüber stehen und dem Werbeadressaten dabei Kaufalternativen aufgezeigt werden. Der Absatz des einen Unternehmens muss auf Kosten des anderen gehen können (BGH, Urteil vom 17.01,2002 – l ZR 215/99, GRUR 2002, 828 – Lottoschein; Urteil vom 24,06,2004 -1 ZR 26/02, GRUR 2004, 877 – Werbeblocker; Fezer, UWG, §2 Rdnr. 99 und 102 ff,; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 2 Rdnr. 97 ff u. 106 ff.). Die hiernach erforderliche Austauschbarkeit der Waren kann nicht angenommen werden. Die Beklagte hat Damenoberbekleidung, Schuhe, Accessoires und Kinderbekleidung angeboten, während der Kläger Herrenunterwäsche und Herrenbademode vertreibt. Ein verständiger Durchschnittsverbraucher, der hiernach sucht, greift nicht alternativ zu der von der Beklagten angebotenen Damen- oder Kinderbekleidung, so dass das Angebot der Beklagten den Kläger nicht im Absatz behindern oder stören kann.“
Der Kläger hatte hierzu im Prozeß noch vortragen lassen, er beabsichtige auch den Vertrieb einer entsprechenden Damenkollektion. Ein Wettbewerbsverhältnis sei daher wegen des bevorstehenden Marktzutritts gegeben. Auch diese Argumentation scheiterte. Das OLG Braunschweig hierzu:
„Die bloße Behauptung des Klägers, sich mit der Entwicklung einer entsprechenden Damenlinie zu beschäftigen, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses. Zwar kann Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 3 UWG auch ein Unternehmen sein, dass sich erst anschickt, auf einem bestimmten Markt tätig zu werden, und somit nur potentieller Mitbewerber ist. Allerdings reicht die bloß abstrakte Möglichkeit eines Marktzutritts nicht aus, vielmehr muss die konkrete Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts bestehen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, aa0., § 2 Rdnr. 96 f.). Für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs als Grundlage der Abmahnung hätte die konkrete Wahrscheinlichkeit eines solchen Marktzutritts des Klägers mit einer Damenlinie bereits zum Zeitpunkt der Abmahnung bestehen müssen. Davon ist jedoch ebenfalls nicht auszugehen. Tatsachlich bietet der Kläger nach wie vor und damit noch zehn Monate nach der Abmahnung lediglich Herrenunterwäsche und -bademoden an, so dass von einem konkret bevorstehenden Marktzutritt im April 2009 nicht die Rede sein kann.“
Anmerkung:
Eine sehr lebensnahe Entscheidung. Es kommt für das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses gerade nicht darauf an, dass Artikel „irgendeine“ Schnittmenge aufweisen. Vielmehr ist genauer hinzusehen. In Fällen, in denen Artikel „austauschbar“ sind, oder der Umsatz eines Unternehmens unter einem unlauteren Angebot eines Konkurrenten leidet, ist die für einen Wettbewerbsverstoß notwendige Mitbewerbereigenschaft gegeben. Entfernen sich die Artikel aber voneinander, kann dies wie er vorliegende Fall zeigt auch durchaus erfolgreich in Frage gezogen werden.