Landgericht Braunschweig zum Filesharing

LG Braunschweig, Urt. v. 13.10.2015, Az. 9 O 173/15
(AG Braunschweig, Az. 116 C 2245/14)

Mittlerweile hatte das Landgericht Braunschweig Gelegenheit, Entscheidungen des Amtsgerichts zum Komplex „Filesharing“ zu prüfen. Das Landgericht Braunschweig setzt sich dabei recht umfassend mit der bisherigen Rechtsprechung auseinander.

Geklagt hatte der Inhaber von Nutzungsrechten an einem Film „Bloody Revenge“. Das Amtsgericht Braunschweig hat den Inhaber des Internetanschlusses, über den der Film „getauscht“ worden sei, zur Zahlung von Lizenzgebühren und zur Erstattung von Anwaltskosten verurteilt. Das Landgericht hat die Entscheidung mit dem hier zitierten Berufungsurteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Entseidungsgründe des Landgerichts:

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen  Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass die Abmahnung berechtigt war und dem Abmahnenden gegenüber dem Abgemahnten im Zeitpunkt der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch zustand (BGH GRUR 2014, 657 – Bearshare). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Zwar dürfte die Klägerin – vor dem Hintergrund des als Anlage K5 (BI. 23) vorgelegten (…) Memo und dem ©-Vermerk auf dem DVD-Cover (Anlage K 6, BI. 24) – für die geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert sein. Auf diesen Punkt kommt es aber letztlich nicht entscheidend an.

Denn der Beklagte haftet unabhängig von der Frage der Aktivlegitimation weder als Täter oder Teilnehmer noch als Störer für die behauptete Rechtsverletzung.

a)

Der Beklagte haftet nicht als Täter der von der Klägerin behaupteten Rechtsverletzung. Dieser ist der Nachweis, dass der Beklagte für die Rechtsverletzungen als Täter verantwortlich ist, nicht gelungen.

Ob die von der Klägerin genannten Rechtsverletzungen vom Anschluss des Beklagten erfolgt sind, was dieser bestreitet, kann ebenfalls dahinstehen. Denn selbst wenn dies als zutreffend unterstellt würde, würde daraus nicht folgen, dass der Beklagte für die Begehung der Rechtsverletzung verantwortlich ist.

Die Klägerin ist nach allgemeinen Beweisgrundsätzen zunächst beweispflichtig für die behauptete Rechtsverletzung durch den Beklagten. Denn es ist grundsätzlich Sache des Rechteinhabers darzulegen und nachzuweisen, dass der jeweilige Beklagte Täter oder Teilnehmer der behaupteten Urheberrechtsverletzung ist (BGH, Urteil vom 15.11.2012, IZR 74/12 — Morpheus, Rn. 32; BGH, Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12 — Bearshare, Fn. 14).

Dieser Nachweis ist der Klägerin hier nicht gelungen.

Zwar spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine Person für die  Rechtsverletzung verantwortlich ist, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtliche geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt dieser Person zugeteilt ist (BGH –  Morpheus, Rn. 32; BGH, Urteil vom 12.05.2010, ZR121/08 – Sommer unseres Lebens, Rn. 12). Diese tatsächliche Vermutung greift aber nur dann ein, wenn es sich bei dem Anschlussinhaber um den alleinigen Nutzer des Anschlusses handelt, also nicht in Fällen, in denen Familienangehörige oder Bekannte des Anschlussinhabers bzw. unberechtigte Dritte als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH Bearshare, Rn. 15). Das Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Beklagten, auf die die Klägerin ihre Rechtsauffassungen maßgeblich stützt, würde also voraussetzen, dass die Klägerin darlegt und unter Beweis stellt, dass der Beklagte der alleinige Anschlussnutzer ist.

Da die Klägerin als Rechteinhaberin nicht weiß und nicht wissen kann, ob es sich jeweils um einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt handeit bzw. ob Bekannte des jeweiligen Anschlussinhabers berechtigt oder Dritte unberechtigt zur Nutzung des Anspruchs in der Lage waren, weil diese Umstände allein in der Sphäre des jeweiligen Beklagten spielen, wäre ein entsprechender Vortrag der Klägerin unmöglich bzw. würde denknotwendig einen bloßen Vortrag ins Blaue hinein darstellen. Vor diesem Hintergrund trifft den jeweiligen Beklagten bereits bei der Frage, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung vorliegen oder nicht, eine sekundäre Darlegungslast (vgl. dazu auch BGH – Sommer unseres Lebens, Rn. 12; BGH Bearshare, Rn. 16/17). Entgegen der zum Teil verwendeten Terminologie geht es dabei nach Auffassung der Kammer nicht um die Widerlegung oder Erschütterung der tatsächlichen Vermutung, sondern um die vorgelagerte Frage, ob die Voraussetzungen, unter denen die tatsächliche Vermutung eingreift, vorliegen oder dies nicht der Fall ist.

Im Rahmen dieser sekundären Darlegungslast hat der jeweilige Beklagte zumindest vorzutragen, ob er den fraglichen Anschluss alleine nutzt bzw. welche Familienangehörigen, Bekannte oder Dritte ebenfalls zur Nutzung des Anspruchs in der Lage waren bzw. gewesen sein könnten (vgl. dazu BGH – Bearshare, Rn. 18). Da die sekundäre Darlegungslast nicht zu einer Umkehr der Beweislast führt (so explizit BGH — Bearshare, Rn. 18), genügt insoweit auf dieser Ebene der sekundären Darlegungslast zunächst der substantiierte Vortrag des jeweiligen Beklagten zu den Mitbenutzungsmöglichkeiten Dritter; der jeweilige Beklagte muss die Umstände, die einem Eingreifen der tatsächlichen Vermutung entgegenstehen, nicht beweisen.

Dieser sekundären Darlegungslast ist der Beklagte hier nachgekommen, indem er seine Ehefrau sowie seine beiden Kinder als Mitnutzer des Internetanschlusses benannt hat. Eines weitergehenden Vortrags bedurfte es nach Auffassung der Kammer nicht. Zwar hat die Klägerin zu Recht darauf hingewiesen, dass der jeweilige Beklagte im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Rahmen des ihm Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet ist (BGH — Bearshare, Rn. 18). Aus den bisher veröffentlichten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergibt sich jedoch nicht, wie weit diese Nachforschungspflicht reicht und wie substantiiert der Vortrag des jeweiligen Beklagten zur Mitbenutzungsmöglichkeit seines Anschlusses durch Dritte sein muss. Insbesondere in seiner Bearshare—Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof auch keine Notwendigkeit, hierzu weitere Ausführungen zu machen, da in jedem Fall die Täterschaft des Sohnes des damaligen Beklagten unstreitig war. Nach Auffassung der Kammer genügt es im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht, dass der jeweilige Beklagte schlicht behauptet, nicht im Einzelnen benannte Dritte oder Familienmitglieder hätten den Anschluss mitbenutzen dürfen; gleiches gilt für die nicht auf besondere Tatsachen gestützte Behauptung bzw. Vermutung, Dritte hätten den Anschluss unberechtigt genutzt, also „gehackt“. Vielmehr ist es nach Auffassung der Kammer im Rahmen der Nachforschungspflicht und Darlegungslast zumindest zu fordern, dass der jeweilige Beklagte die Familienmitglieder, die den Anschluss im Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung regelmäßig mitbenutzt haben, ermittelt und namentlich benennt. Der vom Bundesgerichtshof postulierten Nachforschungspflicht genügt der jeweilige Beklagte insoweit dadurch, dass er – soweit ihm dies nicht ohnehin bekannt ist – sämtliche Familienangehörigen ermittelt, die den Anschluss mitbenutzt haben und diese namentlich benennt. Auch etwaige Zugriffsmöglichkeiten durch unbefugte Dritte muss der Beklagte zumindest konkret darlegen, insbesondere unter Angabe der genutzten Hardware und der Art und Weise der zur Tatbegehung genutzten Verschlüsselung des WLANs bzw. des Routers. Jedenfalls überspannt wäre es nach Auffassung der Kammer jedoch, vom jeweiligen Beklagten zu verlangen, dass er den Täter der Rechtsverletzung ermittelt und diesen namentlich benennt. Es sind auch weder die Computer auf Filesharing-Software zu untersuchen noch ist ein konkreter Vortrag zu den An- bzw. Abwesenheitszeiten des Anschlussinhabers und der benannten Mitbenutzer im genauen Zeitpunkt der Rechtsverletzung erforderlich. Letzteres folgt bereits aus dem Umstand, dass die Nutzung einer Filesharing-Software keine Anwesenheit am Computer voraussetzt.

Etwas anderes folgt, anders als die Klägerin meint, auch nicht aus dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof in seiner Bearshare-Entscheidung hinsichtlich des Bestehens einer Nachforschungspflicht in Randnummert13 am Ende die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln vom 16.05.2012 (6 U 239/11), des Oberlandesgerichts Hamm vom 27.10.2011 (22W82/11) und des Landgerichts München I vom 22.03.2013 (21 S 28809/11) als „anderer Ansicht“ benennt. Denn die Einschätzung des Bundesgerichtshofs, dass diese Entscheidungen eine andere Ansicht als die des Bundesgerichtshofs darstellen, bezog sich ersichtlich nur auf den Teilaspekt des Bestehens der Nachforschungspflichten als solcher. Dies lässt sich zum einen daran erkennen, dass der Bundesgerichtshof die anderen Urteile lediglich als „insoweit“ anderer Ansicht bezeichnet hat. Zum anderen widerspräche die nach Auffassung der Klägerin gebotene Auslegung der Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seiner Bearshare—Entscheidung in Randnummer 18 am Ende — nämlich eine „Umkehrung“ der drei genannten Entscheidungen mit der Folge, dass der Anschlussinhaber zur Ermittlung und Benennung des Täters verpflichtet wäre – den eigenen Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seiner Bearshare-Entscheidung unter der gleichen Randnummer. Dort hat der Bundesgerichtshof unmissverständlich ausgeführt (Hervorhebungen im Original nicht vorhanden):Die sekundäre Dariegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1. 2 ZPO) hinausgehenden Vergflichtung des Anschlussinhabers, dem Ansgruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast also dadurch, dass er verträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzungen in Betracht kommen.“

Mit dieser Auffassung sieht sich die Kammer in Übereinstimmung mit den  überwiegenden Entscheidungen verschiedener Gerichte nach Veröffentlichung der Bearshare-Entscheidung (LG Rostock, Urteil vom 31.01.2014, 3 O 1153/13, MMR 2014, 341; LG Potsdam, Urteil vom 08.01.2015, 2 O 252/14, BeckRS 2015, 01545; LG Frankenthal, Urteil vom 30.09.2014, 6 O 518/13, BeckRS 2014, 20829; AG Düsseldorf, Urteile vom 25.11.2014, 5701312/14, BeckRS 2014, 22658 und vom 14.10.2014, 57 C 4661/13, BeokRS 2014, 20023; AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 30.09.2014, 225 C 112/14, BeckRS 2015, 01109; AG Koblenz, Urteil vom 18.06.2014, 161 C 145/14, BeckRS 2014, 15122; AG Bielefeld, Urteile vom 06.03.2014, 42 C 368/13, BeckRS 2014, 06751, vom 04.09.2014, 42 C 45/14, BeckRS 2014, 18422 vom 24.11.2014, 42 C 16/14, BeckRS 2015, 01792 und vom 05.02.2015, 42 C 1001/14, BeckRS 2015, 05358; AG Hamburg, Urteil vom 25.06.2014, 6 C 293/13, BeckRS 2014, 16700; AG Bochum, Urteil vom 16.04.2014, 67 C 57/14, BeckRS 2014, 18184), wenn auch nicht verkannt wird, dass einige Gerichte teilweise abweichende Auffassungen vertreten (LG München l, Urteile vom 09.07.2014, 21 S 26548/13, MMR 2015, 196 und vom 05.09.2014, 21 S 24208/13; AG München, Urteil vom 19.09.2014, 111 C 25920/13; AG Düsseldorf, Urteile vom 24.07.2014, 57 C 15659/13, BeckRS 2014, 22659 und vom 12.02.2015, 57 C 9379/14, BeckRS 2015, 04199). Nach Auffassung der Kammer ist insoweit zunächst einmal die übliche Beweislastverteilung zu beachten, wonach der Rechteinhaberin der Nachweis der Rechtsverletzung und des Täters dieser Verletzung obliegt. Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der jeweilige Anschlussinhaber lediglich im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet (BGH – Bearshare, Rn. 18). Dabei kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an. Jedenfalls in Fällen wie dem hier zu beurteilenden, in dem zwischen der behaupteten Rechtsverletzung und der Klageerhebung mehrere Jahre liegen, dürfen die Anforderungen an die Nachforschungspflicht und die insoweit bestehenden Substantiierungspflichten hinsichtlich des Sachvortrags nicht überspannt werden. Dass die jeweiligen Anschlussinhaber sich an mehr erinnern können und auch durch zumutbare Nachforschungen nachträglich mehr ermitteln können als den Umstand, welche Personen im Zeitraum, in dem die Rechtsverletzungen begangen worden sein sollen, zur Mitbenutzung des Anschlusses grundsätzlich berechtigt bzw. in

der Lage waren, erscheint eher fernliegend. Auch insofern ist noch einmal zu betonen, dass der jeweilige Anschlussinhaber gerade nicht verpflichtet ist, über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO hinaus vorzutragen und es ihm insbesondere nicht obliegt, dem Rechteinhaber die für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu beschaffen (BGH — Bearshare, Rn. 18). Im konkreten Fall kommt noch hinzu, dass die Anschlussmitbenutzer die Ehefrau des Beklagten und dessen beiden Kinder sind. Auch vor dem Hintergrund des Art. 6 GG und des § 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO dürfen nach Auffassung der Kammer insoweit die Anforderungen an den Saohvortrag des Beklagten im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht überspannt werden.

Den so verstandenen Anforderungen an die Nachforschungspflicht und die sekundäre Darlegungslast hat der Beklagte hier durch Benennung seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder als selbstständige Mitbenutzer des auf ihn angemeldeten lnternetanschlusses genügt. Die Feststellung des Amtsgerichts, der Beklagte habe seine Familienangehörigen als Rechtsverletzer ausgeschlossen, ist unzutreffend. Zwar findet sich eine entsprechende Formulierung auf Seite 3 der Klageerwiderung (BI. 37). Auf Seite 6 des gleichen Schriftsatzes (Bl. 40) wurde jedoch vorgetragen, dass der Laptop auch der Ehefrau des Beklagten und den beiden Kindern zur selbstständigen Nutzung zur Verfügung stand. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Braunschweig hat der Beklagtenvertreter klargestellt, dass der Beklagte ausschließen „möchte“, dass seine Ehefrau bzw. die Kinder Filesharing betrieben haben, der Beklagte sich insoweit aber nicht sicher sein könne. In seiner im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erfolgten persönlichen Anhörung hat der Beklagte zur Überzeugung der Kammer noch einmal nachvollziehbar und glaubhaft geschildert, dass der im Haushalt vorhandene Laptop auch von seiner Ehefrau und den beiden Kindern selbstständig benutzt wurde.

Da somit der Beklagte glaubhaft dargelegt hat, dass zur Zeit der behaupteten Rechtsverletzung auch seine Ehefrau und seine beiden Kinder den auf ihn registrierten Internetanschluss selbstständig benutzt haben, liegt gerade die Konstellation vor, in der keine tatsächliche Vermutung des Beklagten als Rechteverletzer eingreift. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die genannten Familienangehörigen des Beklagten diesem gegenüber unstreitig verneint haben, Filesharing betrieben zu haben.

Es oblag somit der Klägerin der Nachweis der Täterschaft des Beklagten (BGH Morpheus, Rn. 34/35; BGH – Bearshare, Rn. 19/20; Dr. Sebastian Neurauter, Anm. zur Bearshare-Entscheidung, GRUR 2014, 660). Auch insofern trifft den Beklagten wiederum eine sekundäre Darlegungslast, der der Beklagte jedoch wie oben ausführlich dargelegt hinreichend nachgekommen ist. Der positive Vollbeweis der Täterschaft des Beklagten ist der Klägerin nicht gelungen. Sie hat auch keinen Beweis für die behauptete Täterschaft des Beklagten angeboten, obwohl sie mit Hinweis vom 16.07.2015 (BI. 100 f.) auf die bei Juris veröffentlichte Entscheidung der Kammer vom 01.07.2015 (9 S 433/14) und die daraus ersichtliche bisherige Auffassung der Kammer zu Problemfeldern in Filesharing-Fällen, insbesondere zu den nach Auffassung der Kammer bestehenden jeweiligen Vortrags-, Darlegungs- und Beweislastverteilungen hingewiesen worden war.

b)

Eine Haftung des Beklagten als Teilnehmer ist weder von der Klägerin behauptet noch sonst ersichtlich.

C)

Auch eine Haftung des Beklagten als Störer ist hier nicht ersichtlich. Der Anschluss des Beklagten war unstreitig mittels einer dem Stand der Technik entsprechenden WPA2 Verschiüsselung gesichert. Ein Verstoß gegen etwaige Belehrungs- und/oder Überwachungspfiichten des Beklagten ist von der Klägerin nicht vorgetragen und auch ansonsten nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin eine Störerhaftung des Beklagten unter Hinweis auf das angeblich nicht persönliche, ausreichend lange und sichere Passwort herleiten möchte, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Bei diesem Vortrag der Klägerin handelt es sich ersichtlich um eine bloße Spekulation. Wenn eine Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt, erfolgt ein solcher Vortrag in prozessual unerheblicher Weise (vgl. dazu zuletzt BGH, Urteil vom 16.06.2015, VI ZFt 104/14). Die Kammer verkennt nicht, dass bei der Annahme eines willkürlichen und daher unbeachtlichen Vortrags in diesem Sinne Zurückhaltung geboten ist. Willkür liegt aber in der Regel bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte für den jeweiligen Vortrag vor (BGH, a.a.O.). So liegt der Fall hier. Für die Behauptung der Klägerin, der WLAN-Anschluss des Beklagten sei nicht hinreichend gesichert gewesen, sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, zumal der Beklagte im Rahmen seiner auch insoweit bestehenden sekundären Darlegungslast sowohl in den Schritsätzen als auch im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und glaubhaft angegeben hat, das Passwort nach der Installation des Routers geändert und durch ein hinreichend langes und sicheres, individuelles, aus Zahlen und Buchstaben bestehendes Passwort ersetzt zu haben.

d)

Da nach alledem bereits aus den dargelegten Gründen die Voraussetzungen für die Haftung des Beklagten dem Grunde nach nicht vorliegen bzw. von der Klägerin nicht bewiesen wurden, erübrigen sich Ausführungen zur Frage, ob der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten geltend gemacht werden kann, obwohl der vermeintliche Verletzer weder eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat noch der Rechteinhaber den Unterlassungsanspruch weiter verfolgt und gerichtlich durchzusetzen versucht. Dies wird von der überwiegenden Rechtsprechung derzeit verneint (vgl. dazu LG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2011, 23 S 359/09; LG Bielefeld, Urteil vom 06.02.2015, 20 S 65/14; AG Hamburg, Urteil vom 20.12.2013, 36aC134/13), teilweise jedoch auch bejaht (OLG Köln, Urteil vom 14.03.2014, 6 U 210/12). Ebenso erübrigen sich Ausführungen zur Höhe der geltend gemachten Abmahnkosten.

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