Das AG Braunschweig hat mit Urteil vom 31.3.2015 (Az. 117 C 1213/14) eine Schadensersatzklage abgewiesen. Geltend gemacht wurden Ansprüche aus dem vermeintlichen Tausch eines Filmes „Delta Farce“.
Das Gericht hat sich in dieser Entscheidung kritisch zur dargelegten Praxis des Nachweises des angeblichen Verstoßes geäußert. Es sei nicht nachzuvollziehen, wie eine nur sekundenlange Protokollierung die Annahme des Bezuges eines kompletten Filmes rechtfertigen könne.
Aus den Entscheidungsgründen des Gerichts:
Die Klage ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 97 Abs. 2 UrhG wegen zumindest fahrlässiger widerrechtlicher Verletzung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung des Films ,,Delta Farce“ nach § 19 a UrhG setzt als Erstes voraus, dass der Klägerin dieses Recht zusteht. Bereits das hat die Klägerin nicht genügend unter Beweis gestellt. Das Gericht teilt zwar ihre Auffassung, dass die Synchronfassung eines in anderer Sprache hergestellten Films ein neues Filmwerk darstellt und dass der Produzent dieses Werks die Schutzrechte nach § 94 UrhG genießt, zu denen auch das Recht zur ötfentlichen Zugänglichmachung zählt (LG Hamburg, Urt. v. O4.O4.2014 – 310 O 409/11 -, zitiert nach juris). Das steht indes unter der Voraussetzung, dass der Synchronproduzent das Recht zur Synchronisation und zur Verwertung des neuen Werks erworben hat. Die diesbezügliche Behauptung der Klägerin, die Rechte von der Firma Lionsgate Films lnternational erworben zu haben, bei der es sich um die Vertriebsgesellschaft des Filmproduzenten Firma Lions Gate Films lnc. handele, ist mit dem auf die Zeugenaussage ihres Mitarbeiters Biecker zielenden Beweisantritt nicht hinreichend unter Beweis gestellt. Hierzu hätte es der Vorlage des Lizenzvertrags bedurft. Dem (c)-Vermerk auf der DVD-Hülle kommt in diesem Verfahren kein Beweiswert zu. Das kommt allenfalls für die Zeit seit der Erstveröffentlichung am 03.12.2009 in Betracht. Indes datiert die dem Beklagten angelastete Verletzungshandlung bereits vom 07.11.2009.
Eine Vernehmung der von der Klägerin als Zeugen benannten Familienangehörigen des Beklagten ist nicht veranlasst. Das Klagevorbringen erlaubt bereits nicht die Feststellung, dass der Beklagte das Filmwerk öffentlich zugänglich gemacht hat. Das würde voraussetzen, dass er Dritten den Zugriff darauf eröffnet hat. Das kann zwar der Fall sein, wenn das Werk auf dem Computer für andere Teilnehmer eines dezentralen File-Sharing-Systems bereitgehalten wird (Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 19a Rn.6). Die anderen Teilnehmer müssen aber in die Lage versetzt sein, auf das gesamte Werk oder zumindest auf verwertbare Teile davon zuzugreifen. Der nach der Darstellung der Klägerin vom Beklagten eingesetzte File-Sharing-Client basiert unstreitig auf dem BitTorrent-Protokoll. Es erlaubt den Teilnehmern, jeweils einzelne Stücke einer Datei, die Chunks genannt werden, herunterzuladen und diese nach ihrer Komplettierung zu der ganzen Datei zusammenzufügen. Diese Chunks müssen eine Mindestgröße von 9 MB aufweisen (vgl. http://bittorrent-faq.de/). Mit einem DSL-16.000-Anschluss, der ein
maximales Upload-Volumen von 2.400 kbit/sec. zulässt, werden für das Hochladen dieser Datenmenge mindestens 31 Sekunden benötigt. Die Feststellung der Firma Guardaley Ltd. lastet dem Beklagten aber eine nur 1 Sekunde oder sogar nur einen Bruchteil davon währende Verletzungshandlung an, denn sie gibt für sie keinen Zeitraum sondern einen einzelnen sekundengenau festgehaltenen Zeitpunkt an. In einer Sekunde lassen sich aber gerade einmal höchstens 0,3 MB hochladen. Das Gericht erachtet es als verfehlt, nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass das Werk zum Zeitpunkt der festgestellten Handlung vollständig heruntergeladen werden sollte und folglich während der Downloadzeit eine Verbreitung stattgefunden hat. Dieser vom Amtsgericht Düsseldorf in dessen ansonsten sehr sorgfältig begründetem Urteil vom 20.05.2014 – 57 C 16445113 – (zitiert nach juris, ebenso AG Düsseldorf, Urt. v. 13.01.2015 – 57 C7592114 -) eingeschlagene Weg erscheint spekulativ und lässt unberücksichtigt, dass ein Nutzer des BitTorrent-Netzwerks eine Datei nicht nur während deren eigenen Downloads anderen zum Download anbietet. Das ist auch nach einem unbestimmte Zeit zuvor erfolgten Herunterladen dieser Datei möglich, wenn der Nutzer sie in seinem File-Sharing-Verzeichnis stehen gelassen hat. Die entsprechende Motivation dazu ergibt sich unschwer aus dem Zweck der Tauschbörse, möglichst viele Download-Angebote bereitzustellen. Folglich ist es ebenso gut möglich und nach allgemeiner Lebenserfahrung sogar naheliegend, dass der Nutzer im Moment der ihm angelasteten Verletzungshandlung eine völlig andere als die geschützte Datei heruntergeladen hat. Mit einem DSL-16.000-Anschluss lässt sich in einer Sekunde ein maximales Datenvolumen von 1,95 MB herunterladen. Das entspricht der Größe eines kurzen Musikstücks im MP3-Format oder mehrerer Bilder im JPEG-Format.
Es bedarf keiner vertieften Erörterung, ob dem Beklagten nach alledem ein öffentliches Zugänglichmachen des Films zu einem anderen Zeitpunkt anzulasten ist. Hier sind allein Feststellungen dazu zu treffen, ob dies für den 07.11.2009 zutrifft. Zudem erschiene es wiederum spekulativ, wenn unterstellt würde, der Beklagte habe das Filmwerk mittels Einsatzes seines Filesharing-Clients heruntergeladen. Selbst wenn vor der Erstveröffentlichung am 03.12.2009 noch kein physikalischer Datenträger (z.B. DVD) im Handel zu erwerben war, kann ihn jemand anderes erstellt und dem Beklagten überlassen haben. Ob darin ein andersartiger Urheberrechtsverstoß, zum Beispiel in Gestalt der Verletzung des Vervielfältigungsrechts zu erkennen wäre, kann ebenfalls offenbleiben. Die Klägerin lastet dem Beklagten ausschließlich ein öffentliches Zugänglichmachen an. Dies lässt sich auf die Weise, in der der von der Firma Guardatey Ltd. eingesetzte,,Observer“ arbeitet, nicht feststellen.
Hiernach bedarf es keines Eingehens auf das weitere Verteidigungsvorbringen des Beklagten. (…)
Weil sich die dem Beklagten vorgeworfene Rechteverletzung nicht feststellen lässt, ist ebenfalls nicht feststellbar, dass die Abmahnung 04.03.2010 berechtigt war. Folglich sind der Klägerin auch nicht gemäß § 97a Abs. 3 UrhG die Kosten der Abmahnung zuzusprechen.