vorgegebener Überweisungszweck nicht zwingend – EDV-Abfrage für Zuordnung von Zahlungen zumutbar

SG Braunschweig, Beschl. v. 15.3.2012, Az. S 35 AS 771/11, rkr.

Ein Rückzahlungsanspruch einer Behörde (hier: Agentur für Arbeit) kann auch fristgerecht erfüllt sein, wenn bei der Zahlung ein anderer als der vorgegebene Überweisungszweck angegeben wurde. (eigener Leitsatz)

Die in Anspruch genommene Behörde hatte wegen der Überzahlung von Leistungen (hier: ALG II) einen Rückforderungsbescheid erlassen. Im Rückforderungsbescheid wurde mitgeteilt, dass bei der Überweisung des Betrages ein bestimmter Zahlenschlüssel in den Überweisungszweck aufgenommen werden müsse. Anderenfalls könne die Zahlung nicht zugeordnet werden. Der betreffende Kunde hatte die Zahlung auch fristgerecht erbracht, allerdings im Überweisungszweck nicht den vorgegebenen Zahlenschlüssel angegeben. Stattdessen wurde der Name der Bedarfsgemeinschaft angegeben.
Im System der Behörde blieb die Zahlung trotz Überweisung als „offen“ vermerkt, das Geld wurde auf einem Konto für „nicht zuordbare Zahlungen“ belassen. Der Kunde wurde mehrfach, später unter Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen gemahnt. Daraufhin stellte der Kunde einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim zuständigen Sozialgericht. Im Verlauf des Verfahrens – seit Überweisung waren mittlerweile 11 Wochen, seit Einreichung des Eilantrages 6 Wochen vergangen – wurde das Geld aufgefunden. Das Verfahren wurde übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Sozialgericht legte der Behörde die Kosten des Verfahrens auf. Zur Begründung führte das Gericht u.a. aus:

Diese auf der Organisationsstruktur des Antragsgegners beruhenden langen Bearbeitungswege im Zahlungsverkehr können unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Antragsteller auf seiner Überweisung zwar nicht den laut Bescheid vorgesehenen Zah­lenschlüssel, aber jedenfalls seine korrekte Bedarfsgemeinschaftsnummer angegeben hatte und der Zahlungseingang also durch eine einfache EDV-Abfrage hätte zugeord­net werden können, nicht dem Antragsteller zugerechnet werden.

Rückschluss: zumutbare Mittel, um Zahlungen zuordnen zu können, sind auszuschöpfen. Dazu gehört auch das Abfragen von EDV, erst recht wenn dies über die angegebene Nummer der Bedarfsgemeinschaft ohne Weiteres möglich ist. Die Vorgabe eines bestimmten Überweisungszwecks entbindet nicht von zumutbarer und zeitnah durchzuführender Recherche.

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Verbraucherschutz im Netz ab 1.8.2012 gestärkt

Das „Gesetz gegen Kostenfallen im Internet“ ist zum 1.8.2012 in Kraft getreten. Verbraucher sollen damit vor verbreiteten unseriösen Praktiken schützen. Für einen wirksamen Vertragsschluß wird nun auch durch das Gesetz selbst gefordert, dass ein Anbieter verpflichtet ist

„angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe der Kunde Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann,“ (§ 312 g Abs. 1 Ziff. 1 BGB).

Mit der damit verbundenen „Button-Lösung“ ist dem Verbraucher vor dem letzten Klick deutlich gemacht werden, dass eben dieser Klick Kosten auslöst. Die Buttons könnten etwa mit „Kaufen“, „zahlungspflichtig bestellen“, „zahlungspflichtig kaufen“ oder „zahlungspflichtigen Vertrag abschließen“ betitelt werden.

Übrigens: die (grundsätzlich zweiwöchentliche) Widerrufsfrist des § 355 BGB beginnt erst mit Erfüllung der Verpflichtungen nach der „Button-Lösung“…

Es bleibt zu hoffen, dass damit der gängigen Geschäftspraxis gerade im Falle sog. „Abofallen“ nachhaltig das Wasser abgegraben wird.

Im Geschäftsverkehr sollten diese Pflichten ernst genommen werden; schließlich drohen neben dem Abschluss unwirksamer Verträge auch wettbewerbsrechtliche Konsequenzen.

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Arbeitsgericht Braunschweig: Tariflohn in der Zeitarbeit

Auch für das Gebiet des IT-Rechts interessant: Zeitarbeitnehmer müssen nicht unbedingt nach Tarif bezahlt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein Zeitarbeitnehmer aus einem grundsätzlich tarifgebundenen Gewerbe in einem Betrieb eingesetzt wird, der nicht unter die Bestimmungen des entsprechenden Tarifvertrages fällt.
Das Arbeitsgericht (ArbG) Braunschweig hatte so in dem Falle eines Malers zu entscheiden. Dessen Tätigkeit fällt grundsätzlich zwar in den Anwendungsbereich eines Tarifvertrages (Maler- und Lackierhandwerk). Dieser Maler ist jedoch durch den Arbeitgeber – die Zeitarbeitsfirma – in eine Tischlerei entsandt worden. Dort hat er dann Malerarbeiten verrichtet, für die er aber nicht nach Tarif, sondern nach den arbeitsvertraglich vereinbarten Sätzen bezahlt wurde.
Zurecht, wie das ArbG Braunschweig feststellt. Das Arbeitsgericht führt aus:

Käme es (…) allein auf ‚Tätigkeiten‘ aus dem Bereich des Maler- oder Lackierergewerbes im Entleiherbetrieb an, führte dies zu einem Wertungswiderspruch, weil der Entleiherbetrieb an gewerbliche Arbeitnehmer, die bei ihm selbst angestellt sind, nicht den tariflichen Mindestlohn des Maler- und Lackiererhandwerks zahlen müsste.
(ArbG Braunschweig, Urt. v. 3.7.2012, Az. 8 Ca 154/12)

Ergo: Tariflohn gibt es für Zeitarbeitnehmer nur dann, wenn der Entleiherbetrieb ebenfalls dem einschlägigen Tarifvertrag unterworfen wäre.

Mit der Entscheidung steht das Arbeitsgericht Braunschweig im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG (BAG, Urteil vom 21. 10. 2009 – 5 AZR 951/08). Im Einzelfall kann es dennoch möglich sein, den Tariflohn durchzusetzen, etwa im Falle des Bestehens einer sog. betrieblichen Übung.

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VG Magdeburg zur Zulässigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen

Das VG Magdeburg hat mit Urteil vom 24.6.2011 (Az. 1 A 218/10 MD) zur Frage der Zulässigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen gem. § 81 b StPO Stellung genommen. Continue reading

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IContent GmbH nimmt Zahlungsklage nach eindeutigem Hinweis zurück

Die IContent GmbH – Betreiberin kostenpflichtiger Inhalte im Internet – hat auf Hinweis des AG Helmstedt (Beschl. v. 6.4.2011, Az. 2 C 95/11) eine Zahlungsklage zurückgenommen. Continue reading

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EuGH: Veröffentlichung von Subventionsdaten im Internet nicht rechtmäßig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer Entscheidung (externer Link) vom 9.11.2010 (Rechtssachen C-92/09 und C-93/09) ausgesprochen, dass die Agrarsubventionen betreffende Veröffentlichungspraxis der Länder gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. Diese Subventionsdaten sind über entsprechende Seiten im Internet frei für Jedermann einsehbar gewesen. Zu unrecht, wie der EuGH jetzt festgestellt hat. Continue reading

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LG München I zur Höhe einer Vertragsstrafe

Das LG München I hat in einem aktuellen Verfahren (4 HK O 6483/10) zur Angemessenheit einer Vertragsstrafe Stellung genommen. Continue reading

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„Datenschutz bitte in den Datenschutzeimern in den Büros entsorgen“

…dazu wird im Gerichtsflur eines Amtsgerichts in Sachsen-Anhalt per Aushang an einem Kopierer aufgerufen.

Honi soit qui mal y pense.

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Urheberrechtsverletzung durch Kopieren von Katalogbildern

Urheberrechte bestehen nicht nur an „großen“ Fotografien. Selbst Fotografien, die nur die Größe von sog. „Thumbnails“ haben, also nur daumennagelgroß erscheinen, unterfallen dem Urheberrecht (vgl BGH v. 29.4.2010, Az. I ZR 69/08). Die ungefragte Übernahme von Katalogbildern aus einem Internetauftritt kann daher teuer werden. Dies hat sich auch in einem Verfahren gezeigt, das beim Landgericht Hannover geführt wurde.

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historischer PC-Arbeitsplatz am LG Braunschweig

Siemag-Schreibmaschine im LG Braunschweig

Siemag-Schreibmaschine im LG Braunschweig

Ein prächtiges Ausstellungsstück schmückt derzeit die Bibliothek im Landgericht Braunschweig. Eine Simag-Schreibmaschine, die augenzwinkernd als „PC – ca. 1950“ vorgestellt wird. Das ausgestellte Modell dürfte der ersten Baureihe von „Siemag“-Schreibmaschinen der Siemag Feinmechanische Werke GmbH angehören – diese nahm die Produktion leistungsfähiger Schreibmaschinen im Jahr 1948 auf. Wann das Gerät außer Dienst gestellt wurde, ließ sich leider nicht in Erfahrung bringen.

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